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Grabanlage Pöglitz: Im Nebel der Geschichte (Die Alte Welt IV)

Inmitten der Landschaft Vorpommerns, schnell zu übersehen und umgeben von einem kleinen Wäldchen liegen Jahrtausende menschlicher Geschichte verborgen. Selbst viele Einheimische wissen nichts von den Grabhügeln und Megalithgräbern, die von frühgeschichtlichen Totenkulten zeugen, die hier vor sich gingen...

 

Mecklenburg-Vorpommern ist eines der deutschen Zentren ur- und frühgeschichtlicher Gräber. Teilweise sind sie offen und weithin sichtbar, andere sind versteckt inmitten der vielen Wälder der Landschaft. Pöglitz ist eine der weniger bekannten Anlagen. Es liegt ca. 30km südwestlich der Hansestadt Stralsund, kurz hinter den kleinen Städten Franzburg und Richtenberg in Richtung Tribsees. Unbekannt heißt im Falle von Pöglitz nicht weniger faszinierend - im Gegenteil. Dort angekommen, dürfte die Anziehung nicht zuletzt daran liegen, dass sich der Nebel der Geschichte wie ein Schleier über die Anlage gelegt hat. Weniges ist bekannt, viel bleibt im Mysteriösen, Unklaren - wer hätte da keine Bilder vor dem inneren Auge?

 

Sprießende Urpflanzen

 

Pöglitz lässt sich grob in zwei Abschnitte einteilen. Der vermutlich ältere liegt im bereits erwähnten Wald. Es handelt sich um zwei Grabhügel ('Tumuli'), die nach wenigen Minuten Waldspaziergang zu erreichen sind. Bei meinem Besuch war der kurze Weg allerdings nicht ein bisschen weniger schön - die im Mai erwachende Natur spross allseits aus dem Boden. Vor allem die sich entrollenden Farne, diese geheimnisvollen, feingliedrigen Urpflanzen ziehen mich jedes Jahr aufs Neue in ihren Bann. Urpflanzen? Vor Jahren besuchte ich als Student an der Universität Rostock ein Seminar zu Johann Wolfgang von Goethes Naturphilosophie. Anstatt des Trennenden in der beginnenden Naturforschung suchte der Dichter nach dem Verbindenden in Flora und Fauna - nach einer Urpflanze, aus der sich alles weitere entwickelte. Der Dozent sagte, wenn es überhaupt so etwas gäbe, käme unter anderem der Farn als Kandidat dafür in Frage. Ob es stimmt? Keine Ahnung - aber eine gewisse Plausibilität hat der Gedanke. 

 

"Die Urpflanze wird das wunderlichste Geschöpf von der Welt, um welches mich die Natur selbst beneiden soll. Mit diesem Modell und dem Schlüssel dazu kann man alsdann noch Pflanzen ins Unendliche erfinden, die konsequent sein müssen, dasheißt: die, wenn sie auch nicht existieren, doch existieren könnten und nicht etwa malerische oder dichterische Schatten und Scheine sind, sondern eine innerliche Wahrheit und Notwendigkeit haben. Dasselbe Gesetz wird sich auf alles übrige Lebendige anwenden lassen."

 

Johann Wolfgang von Goethe

Italienische Reise. Bericht aus Neapel vom 17. Mai 1787.

(Quelle: Goethe, Johann Wolfgang von: Italienische Reise. Textkritisch durchgehesehen von Erich Trunz. Kommentiert von Herbert von Einem. München 1981. S. 375)

 

 

Als der Mensch das Begräbnis erfand

 

Zurück zu den Grabhügeln: als Ewald Schuldt sie im Jahre 1970 archäologisch erschloss, bestimmte er ihren Ursprung auf etwa 3500 bis 2800 v. Chr.  Zu dieser Zeit war der Tumulus eine über die ganze Welt verbreitete Begräbnisform, die sich bis in die römische Kaiserzeit halten konnte. Teilweise wurden erstaunlich gut erhaltene Fundstellen erschlossen. Die Komplexität reichte von "einfachen" Hügeln bis hin zu verschiedenen (Nass-)Kammern im Inneren des Tumulus. Insbesondere die Nasskerne konservierten die Verstorbenen ähnlich gut wie ein Moor - das Motiv dafür konnte allerdings bis heute nicht erschlossen werden. Typische Grabbeigaben waren Urnen, in einem Baumsarg befindliche Körper oder Leichenbrand (d.h. die Asche eines nach dem Tode verbrannten Leichnams). In der dänischen Anlage Trappendal befinden sich sogar kleine Gebäude.

 

Wie es im Inneren des Pöglitzer Tumulus aussieht, ließ sich leider nicht in Erfahrung bringen - wieder etwas im Nebel der Geschichte. Unbestreitbar sind aber die Dimensionen der beiden Tumuli beeindruckend, unabhängig davon, was sich in ihrem Kern befindet. Es ist eine Reise an die Wurzeln der menschlichen Zivilisation und Kultur, an die wilde Seite des Menschseins...

 

 

Der Steinkreis - Rätsel und Ruhe

 

Ähnlich rätselhaft ist der in der Nähe befindliche Steinkreis. Er ist kaum zu übersehen, wenn man dem Pfad hinein in das Pöglitzer Wäldchen folgt. Er misst ganze vierzehn Meter im Durchmesser.  Sein Zweck? Ungeklärt. Doch auch ohne es zu wissen, ist es ein beruhigender Anblick. Für die bronzezeitliche Gesellschaft muss er eine zentrale Bedeutung für die Gemeinschaft gehabt haben. Ohne große Hilfsmittel wurden die Findlinge in diesen Wald bewegt, möglicherweise über weite Entfernungen. Diese Anstrengungen werden sicherlich nicht ohne Grund unternommen worden sein - vielleicht war es der zentrale Kultplatz? Ein astronomisches Hilfsmittel? Es bleibt nur Spekulation und abermals das innere Auge...

 

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Der Steinkreis zwischen den Tumuli im Pöglitzer Forst

 

Bewahrende Moderne

 

Ein kleines Stück außerhalb des Waldes, genau neben dem Feldweg stehen die uralten Steingräber. Ihre lange und wechselvolle Geschichte ist ihnen noch deutlich anzusehen. Ein Deckstein, der vermutlich gesprengt werden sollte, eindeutig neuzeitliche Rekonstruktionen mittels kleinerer Mauerarbeiten und Verwendung von Zement: klar, das raubt einiges vom 'Flair', das so eine Grabanlage natürlich umweht beziehungsweise man sich wünscht, das es sie umweht. Trotzdem sieht man am 'Hauptgrab' (wenn ich es mal so nennen darf) noch deutlich den ca. fünf Meter langen Gang, in den die Verstorbenen u.a. gebettet wurden. 

 

 

Abschied von Pöglitz

 

Das ist, gemauerte Elemente hin oder her, genau das, was die Hügelgräber uns noch bis heute in ihren Bann ziehen lässt. Ein Steinensemble, das einsam und mittlerweile halb vergessen in der Landschaft ruht, für die Ewigkeit gebaut. Voller Rätsel, mehr im Numinosen als im Klaren, aber auf einer sehr subtilen, tiefen Ebene ziehen sie den Besucher in ihren Bann - wenn man sich diesen Geheimnissen öffnen mag...

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