Ostern ist da, der Frühling ist so richtig in Fahrt - nur ist die Stimmung so ganz anders als sonst zu dieser Zeit. Bei Recherchen bin ich auf den vorpommerschen Dichter Karl Lappe (*24. April 1773, Wusterhusen (bei Wolgast) - 28. Oktober 1843, Stralsund) gestoßen. Zu Lebzeiten war er vielen Menschen bekannt. Einige seiner Gedichte wurden sogar von Ludwig van Beethoven und Franz Schubert vertont. Mittlerweile ist er etwas in Vergessenheit geraten. Grund genug, seiner melancholischen "Frühlingselegie" ein wenig Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Frühlingselegie
Sie ist vertobt des Frostes wilde Wuth:
Des Winters Eisenzepter liegt zerschlagen;
Schon regt die Luft statt scharfer Winde Fluth
Ein lauer Westhauch in verlängten Tagen.
Der Lebensgluth, des süßen Lichtes Quell,
Vom Süd zurückgekehrt zu unserm Himmel,
Die Sonne rollt den Flammenlauf und schnell
Sinkt aller Dünste schädliches Gewimmel.
Fern an den Nordpol flieht der Winter fort
Zu seiner Burg auf Zembla's starrem Strande;
Dort ist sein Thron auf Eis gegründet, dort
Herrscht ungeschwächt sein Zepter durch die Lande.
Vom Frost entfesselt, schmückt sich die Natur
Mit ihrem grünen, anmuthvollen Kleide
Und ihren Blumen wieder, und die Flur
Lacht rings umher von Frühling und von Freude.
Und alle Bäume stehen neubelaubt,
Mit breitem Blatt die wirthliche Platane,
Die schlanke Ulm, der Esche luftig Haupt,
Und schimmernd blüht der Schleedorn auf dem Plane.
Die Lilie, des Thales Königinn,
Hat nicht ihr Kleid gewebet noch gesponnen;
Die muntern Vögel hüpfen her und hin,
Von Zweig zu Zweig und schillern in der Sonnen.
Vom niedern Neste schwebt die Lerch' hervor,
Beym ersten Roth des Morgens an dem Hügel,
Sie steigt und singt; ihr Lied trägt sie empor;
Sie singt und wiegt sich auf beglänztem Flügel.
Der Hänfling sitzt auf grünem Ginsterstrauch
Und weit umher erschallen seine Lieder.
Die Blüthen duften in des Westes Hauch;
Er singt und putzt sein schimmerndes Gefieder.
Die Sonne sinkt. Ihr letzter rother Strahl
Färbt noch das Feld, bedeckt mit Römergrüften;
Der muntre Schäfer treibt die Herd' im Thal,
Und Lämmlein tanzen auf beblümten Triften.
Jetzt ist die Zeit. Jetzt winkt die Frühlingsflur
Zu sich hinaus den Frommen und den Weisen;
Hier lernt ihr Herz beim Anblick der Natur
Den hohen Schöpfer der Natur hochpreisen.
So forschte Zoroaster Gott, so fand
Des Sophronikus Sohn der Weisheit Schätze
Und Plato's angehauchter Geist entwand
Der Himmelwelt verborgene Gesetze.
So wand sich Ashley seinen Lorbeerkranz,
Und Thomsons Laute ließ die Jahreszeiten
Des Schöpfers Ruhm in ihrem Reihentanz
Und seinen Ruhm von Pol zu Pol verbreiten.
So schweift' auch ich auf thaubesprengtem Plan
Und irrt' allein in wildverwachsenen Klüften,
Sang vor der Lerche schon den Morgen an,
Mir Kraft erathmend in den Morgenlüften.
Selbst wenn der Winter starrend sich erhob,
Doch ging ich wandeln auf bereiften Auen,
So barsch mir auch der Nord entgegen schnob,
Ließ ich mir nie vor seiner Strenge grauen.
Da hatt' ich Schlaf bey Nacht; da war mein Sinn
In sich vergnügt bey jeglichem Geschicke.
Nie flog mein Wunsch in weite Fernen hin,
Gesund und froh - was braucht' ich mehr zu meinem Glücke?
Jetzt kehrt der Frühling, doch mir kehret nicht
Die Frühlingsfreude, die ich sonst empfunden.
Verlöschend glimmt der Lebensfackel Licht;
Des Lebens Freuden sind mir längst verschwunden.
Aufschauernd sitz' ich in des Sturmwinds Schwall,
Ein öder Schatten meines Jugendbildes,
Berechne stumm des stillen Zeitstroms Fall,
Gelehnt am dürren Baumstamm des Gefildes:
Des raschen Zeitstroms, welcher rastlos quillt,
Von Menschenkunst im Strudel ungekettet,
Der bald nun mich in seine Wogen hüllt,
Und mich in Frieden zu den Todten bettet.
Bald, so verkünden's Morgenträume mir,
Und Morgenträume sind der Zukunft Spiegel,
Geführt von Schatten in der Nacht Revier
Gesegn' ich, Erde, deine lichten Hügel!
Wehklagen hör ich, und mein Aug' erreicht
Die trübe Wog' am unwirthbaren Strande,
Den trägen Strom, der zaudernd niederkreucht;
Kein Fuß entkehrt dem graunbewehrten Lande.
Leb' wohl, du Blüthenrain, du froher Plan!
Genug für mich des Gottesackers Schranken:
Wo Einsamkeit und Schwermuth mich umfahn,
Und Gräser üppig über Urnen wanken.
Hier laßt mich wandern, wann die Sonne flieht,
Wann Schlummer thauet auf den Arbeitmatten,
Der Welt entzogen, ihrer Thorheit quit,
Und Umgang pflegen mit geliebten Schatten.
Hier laßt mich schlummern, wann mein Auge bricht,
Vergessen dann, entbunden aller Sorgen,
In Hoffnung schlummern auf ein ewig Licht,
Nach langer Nacht am letzten aller Morgen.
(Quelle: Lappe, Karl: Karl Lappes sämmtliche poetische Werke, Band 1. Rostock 1840. S. 203ff.)
Allen Lesern sei hiermit ein erfreuliches Osterfest gewünscht - auch und gerade in diesen seltsamen Zeiten.
Bleibt gesund - und optimistisch!
Felix
HEIMATLICHT:MV
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